Seit 70 Jahren Mieterin der Nassauischen Heimstätte

Seit 70 Jahren Mieterin der Nassauischen Heimstätte

Margot Subtil zog 1945 in ihre Wohnung Am Rütschlehen ein

Frankfurt-Fechenheim. – Ihren Einzugstermin in die Wohnung Am Rütschlehen in Frankfurt-Fechenheim hat Margot Subtil sofort parat: „Es war der 28. August 1945, Goethes Geburtstag!“ Ginge es um eine Ehe, dann spräche man von der Steinernen Hochzeit, die die Vermieterin Nassauische Heimstätte und die Mieterin Margot Subtil in diesen Tagen  begehen. Vor 70 Jahren also hat Margot Subtil, als kleines Mädchen an der Hand ihrer Eltern, die Schwelle der rund 60 qm großen, gut geschnittenen Wohnung mit dem großen Balkon erstmals überschritten. Die Erinnerungen der heute 77-Jährigen sind noch so klar, als sei das alles gestern und nicht vor sieben Jahrzehnten geschehen. Glücklich waren sie und ihre beiden Geschwister, „wieder ein Dach über dem Kopf zu haben“. Zuvor hatte die Familie schlimme Zeiten durchzustehen gehabt.

Heim, Hab und Gut in den Bombennächten verloren

Ihr Haus in Alt-Fechenheim war bei den schweren Bombenangriffen auf Frankfurt am 18. und 20. März 1944 vollständig zerstört worden. In provisorischen Unterkünften hauste die fünfköpfige Familie zwischen Schutt und Trümmern. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt etwa 90.000 der 177.600 Wohnungen im Stadtgebiet sowie fast alle öffentlichen Bauten, Schulen, Kirchen und Krankenhäuser vernichtet worden. Margot Subtil, eine Dame mit viel Selbstbeherrschung und Lebenserfahrung, ringt mit ihren aufgewühlten Gefühlen, wenn sie an diese Zeiten der Angst und des Verlustes erinnert wird. „Das kann man ein Leben lang nicht vergessen“, sagt sie. Für heutige Generationen sei das nicht mehr zu begreifen.  

Die Wohnung Am Rütschlehen bedeutete auch ein Zeichen an die Kriegskinder, dass es irgendwann wieder einen normalen Alltag mit Schule, Spielen und Freunden geben könnte. Und den gab es dann auch in der Siedlung, die 1929 nach den Ideen von Ernst May errichtet worden war. Festgehalten ist dies unter anderem in dem Buch „Wir Kinder vom Rütschlehen“, das Margot Subtils Nachbar Bernhard Pfender zusammenstellte und in dem die 77-Jährige ebenfalls einen Beitrag schrieb. Berichtet wird davon, wie in den Nachkriegsjahren fröhliche Kindergruppen mit Rollschuhen auf Metallrädern über die Straße bretterten, kreischend Völkerball spielten und bis in den Abend hinein ausgelassen tobten. Das Leben hatte die Kinder endlich wieder. Wer sich über den Namen wundert: Rütsch war die Bezeichnung für ein abschüssiges Gelände, auf dem man leicht ausrutschen konnte. Das Rütschlehen benannte Grundstück hatte der Kaiser einstmals dem später aufgelösten Kloster Arnsburg geschenkt.

„Nicht nur das liebe Mädchen sein“

Ihre Schulzeit verbringt Margot Subtil größtenteils mit Freude am Lernen, danach entscheidet sie sich, eine Ausbildung bei der Stadt Frankfurt zu beginnen. Ihr Berufsleben führt sie schließlich zur Metallgesellschaft, wo sie viele Jahre in verantwortungsvollen Positionen, zuletzt lange im Personalwesen, tätig war. Die Arbeit in einem Unternehmen mit „wirklich nobler Haltung“ war ihr zeitlebens eine Berufung. Sie habe aber auch gelernt, „dass man als Frau nicht weit kommt, wenn man nur das liebe Mädchen ist.

Man muss lernen, sich durchzusetzen“, sagt Margot Subtil. Das bedeute aber auch, „mal ab- und zugeben“, also nach dem Ausgleich mit den Bedürfnissen der anderen zu suchen. Das kommt ihr im Zusammenleben mit den Nachbarn in der Siedlung zugute, wo Menschen aus vielen verschiedenen Kulturkreisen wohnen. „Ich achte schon auf Ordnung und Rücksichtnahme“, sagt sie – mit einem Zwinkern. Der lateinische Name Subtil bedeutet auf Deutsch feinfühlig…

Auch wenn es Momente gab, in denen sie sich fremd fühlte, viele Veränderungen miterleben musste, so hat sie doch all die Jahre niemals an Wegzug aus ihrer Wohnung gedacht. Margot Subtil engagiert sich ehrenamtlich, hat gute Freunde in Fechenheim und enge
Ein Salon auf dem Balkon

Familienbeziehungen. Die haben ihr auch über den Tod des Lebensgefährten vor einigen Jahren hinweggeholfen. Glücklich mit dem Leben sein, ist auch immer eine Frage der innere Einstellung, findet Margot Subtil. Zum Glück fällt ihr das deutsche Sprichwort ein, in dem es am Ende heißt: O, such’s nicht dort und such’s nicht hier! Das Glück wohnt nur in dir.    

Einsam fühlt sie sich sehr selten, ihre Wohnung, erreichbar über wenige Treppenstufen, ist ihr eine sichere Heimat und ein Ort des Wohlfühlens.  Das liegt – im Sommer – nicht zuletzt an ihrem großzügigen Balkon, den sie sich mit Jalousien und schönem Mobiliar sowie einem herrlichen Blick auf Blüten und Rasen wie einen Salon im Freien hergerichtet hat. Margot Subtils Wunsch für die Zukunft: Möglichst gesund die kommenden Jahre verbringen, in dieser Wohnung Am Rütschlehen.


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