Frankfurter Zeitungsverlag

Ein Wolf im Schafspelz?!

Am 28. Oktober 2018 sind alle Wahlberechtigten in Hessen dazu aufgerufen einen neuen Landtag zu wählen. Daneben sollen wir auch noch unser Votum für/gegen 15 Änderungen in der hessischen Landesverfassung abgeben. Grundsätzlich mag man von der einen oder anderen vorgesehenen Änderung halten was man mag, ob sinnvoll oder nicht. Jedoch führt die geplante Absenkung des Quorums zur Herbeiführung von Volksentscheiden von 20 % auf 5 % dazu, dass es potentiell häufiger zu Volksentscheiden kommt, was mit einer personellen und finanziellen Belastung der Verwaltung einhergeht. Ob jedoch die Absenkung des Quorums auf 5 % zu mehr Demokratie und damit zu ggf. besseren Entscheidungen führt, darf zumindest bezweifelt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund und den Erfahrungen der Volksabstimmung in Großbritannien zum BREXIT, die uns ein mahnendes Beispiel sein sollte, sehen wir, dass Volksabstimmungen zu einer Spaltung der Gesellschaft führen können. Von den BREXIT-Befürwortern wurde eine massive Desinformationskampagne geführt, bei der falsche Informationen verbreitet und Wesentliches nicht genannt bzw. wissentlich weggelassen wurde. Aufgrund dieser Tatsache und zum Teil auch aus Politikverdrossenheit haben viele junge Menschen nicht an der Abstimmung teilgenommen, obwohl es im Wesentlichen um ihre Zukunft ging. Insofern besteht die berechtigte Sorge, dass Menschen Entscheidungen treffen, die ggf. auf falschen bzw. unvollständigen Informationen beruhen. Dieses Gefahrenpotential erhöht sich erheblich im Zeiten fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung. Hier spielen u.a. auch politische Einmischungen aus dem Ausland eine immer größere Rolle, wie sich bereits bei den US-Präsidentenwahlen gezeigt hat.

Um diesem Gefahrenpotential und insbesondere populistischen Tendenzen vorzubeugen, wäre es notwendig, beim Einsatz von direkt demokratischen Verfahren, wie einem Volksentscheid, das Zustimmungserfordernis auf eine 3/4 Mehrheit zu erhöhen, wobei die Wahlbeteiligung bei mindestens 50 % liegen sollte. Insofern gäbe es ein doppeltes Mehrheitserfordernis. Insgesamt birgt jedoch die eine Absenkung des Quorums auf 5 % viele nicht kalkulierbare Risiken, dass diese aus meiner Sicht nicht sinnvoll ist.

Wir sollten, anstatt direktdemokratische Elemente zu fördern, besser unser parlamentarisches System sowie die demokratischen Parteien stärken und die Menschen in unserem Land dazu ermutigen, sich mehr in die notwendigen Diskussionen einzubringen. Mir ist durchaus bewusst, dass dies mit viel Arbeit verbunden ist, was aber zu Erhalt und zum Funktionieren unserer demokratischen Grundordnung und der damit einhergehenden Freiheiten und Errungenschaften, die wir heute als selbstverständlich betrachten, notwendig ist, denn Demokratie bedeutet Arbeit, und dies Tag für Tag.

Der Vollständigkeit halber möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Anpassung des Zustimmungserfordernisses bei Volksentscheiden, die eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen bei mindestens 25 % Zustimmung der Wahlberechtigten vorsieht, zu einer leichten Verbesserung gegenüber der aktuellen Rechtslage führt, die nämlich nur eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsieht, allerdings bei wesentlich niedriger Eingangshürde.

Deshalb überwiegen bei mir die Bedenken sowie die mit der Absenkung des Quorums verbundenen Risiken, so dass ich im Ergebnis dieser Änderung der hessischen Landesverfassung nicht zustimmen kann.

 

Jörg Löllmann


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