In Frankfurt entsteht ein „Familie Frank Zentrum“

Eine symbolische Rückkehr

Im Jüdischen Museum in Frankfurt entsteht ein „Familie Frank Zentrum“

Das Jüdische Museum der Stadt Frankfurt am Main begründet zusammen mit dem Anne Frank Fonds als einen neuen zentralen Schwerpunkt des Hauses das „Familie Frank Zentrum“ mit Dauerausstellung, Archiv und Pädagogischem Zentrum. Durch die Kooperation wird es möglich, die Geschichte der Familie Frank zu einem zentralen Bestandteil der geplanten neuen Dauerausstellung im Jüdischen Museum zu machen.

Frankfurt am Main (pia) Sie ist mit Sicherheit das berühmteste jüdische Mädchen der Welt, wenn nicht eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte überhaupt. Millionen von Heranwachsenden haben ihr in 55 Sprachen übersetztes Tagebuch gelesen, in dem sie auf einzigartige Weise nicht nur die Irrungen und Wirrungen der Adoleszenz, sondern auch ihr besonderes Schicksal als Verfolgte und Gefangene in einem Amsterdamer Versteck beschreibt. Von Juli 1942 bis August 1944 hatte sich Anne Frank mit ihren Eltern, ihrer drei Jahre älteren Schwester Margot und vier weiteren Flüchtlingen in einem Hinterhaus an der Prinsengracht verborgen gehalten, aus Angst vor Verhaftung und Deportation durch die deutschen Besatzer in den Niederlanden. Bis jemand die Untergetauchten verriet. Alle acht Bewohner des Hinterhauses sowie ihre Helfer wurden von der Gestapo verhaftet und in verschiedene Lager verbracht. Anne Franks Mutter kam in Auschwitz ums Leben. Sie selbst und ihre Schwester Margot starben im März 1945 in Bergen-Belsen an Typhus.

Ein enormer Vertrauensbeweis

Geboren wurde Anne (als Annelies) Frank 1929 in Frankfurt. So wirkt es wie eine symbolische Rückkehr, wenn jetzt Archivmaterialien des von ihrem Vater Otto gegründeten „Anne Frank Fonds‘“ (AFF) an das Jüdische Museum Frankfurt übergeben werden, gemeinsam mit dem Archiv der Familie Frank-Elias. Buddy Elias, ein Cousin Anne Franks, der eine lebhafte Erinnerung an sie bewahrt hat, amtiert seit 1996 als Präsident des AFF. Nachdem vor rund 80 Jahren alle Mitglieder dieser weitverzweigten und über Jahrhunderte in Frankfurt ansässigen Familie ihrer Heimatstadt den Rücken gekehrt hatten, sei es vor allem als enormer „Vertrauensbeweis“ zu werten, dass man sich nun dazu entschlossen habe, die umfangreichen Sammlungen an Briefen, Aufzeichnungen, Fotografien, Spielzeug, Porzellan, Gemälden und Möbeln dem Jüdischen Museum zu überlassen, erklärt Prof. Dr. Felix Semmelroth, Dezernent für Kultur und Wissenschaft. Zudem ist ja auch die deutsche Ausgabe des Tagebuchs beim Frankfurter Fischer-Verlag erschienen.

Die Geschichte einer Frankfurter jüdischen Familie

Geplant ist nun zum einen, unter dem Namen „Anne Frank Zentrum“ ein eigenständiges Archiv einzurichten, in dem das vielfältige und historisch wertvolle Material gesichtet werden kann, um unter anderem auch die umfangreiche Rezeptionsgeschichte des Tagesbuchs für die Forschung zu erschließen. Zum anderen sollen die vielen weiteren Exponate, der faszinierende Schatz an Alltagsgegenständen, den Buddy Elias und seine Frau Gerti bislang in ihrem Baseler Haus gehütet hatten, integraler Bestandteil der geplanten neuen Dauerausstellung werden, um exemplarisch die Geschichte einer Frankfurter jüdischen Familie im Wandel der Jahrhunderte darstellen zu können. Erst Anfang Februar hatte das Frankfurter Stadtparlament dem Raumprogramm zur Sanierung und Erweiterung des Jüdischen Museums zugestimmt, um der Präsentation deutsch-jüdischer Geschichte künftig mehr Fläche und Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten. Demnächst soll ein Architekturwettbewerb für den Museums-Anbau ausgeschrieben werden; die Bauarbeiten selbst werden voraussichtlich Anfang kommenden Jahres beginnen.

Einzigartiges Zeitzeugnis

Und kaum eine Familie wäre besser geeignet, um paradigmatisch die Geschichte der Juden in Frankfurt seit der Neuzeit zu illustrieren. So sind auf dem ältesten Porträt eines Frankfurter Juden – es stammt aus dem Jahr 1671 – die Züge Süsskind Sterns zu sehen. Anne Franks und Buddy Elias‘ Großmutter, Alice Frank, war eine geborene Stern. Die Familie zählte über Generationen zum gehobenen jüdischen Bürgertum Frankfurts, war stärker an Bildung als an Religion interessiert und weitgehend assimiliert, ohne je die eigene Identität als Juden in Frage zu stellen. Man feierte Weihnachten, und wenn ein Sohn in den ersten Tagen nach seiner Geburt beschnitten wurde, zog man ihm bei dieser Zeremonie ein Taufkleidchen an. Untereinander, das belegt die intensive Korrespondenz zwischen den Familienmitgliedern seit Beginn des Exils, herrschte ein ausgesprochen herzlicher Tonfall, der von starker Verbundenheit und gegenseitiger Anteilnahme zeugt. Das zeigt auch die große Betroffenheit aller Verwandten nach dem Verschwinden der Franks in Amsterdam. Überhaupt lässt sich bei allen Angehörigen ein gesteigertes Bedürfnis nach Mitteilung, nach Selbstvergewisserung und nach schriftlichem Bewahren von eigenem Erleben erkennen: „Annes Tagebuch war in dieser Familie kein Solitär“, so Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums. In ihrem Rang als bewegendes Zeitzeugnis bleiben die Aufzeichnungen des jungen Mädchens wohl dennoch einzigartig.

Die Botschaft Anne Franks

Otto Frank, der Vater Annes, der als Einziger aus der Zwangsgemeinschaft im Amsterdamer Versteck überlebte, hatte den von ihm 1963 gegründeten Anne Frank Fonds als seinen Universalerben eingesetzt und ihm die Rechte am Tagebuch vermacht. Mit den Einnahmen daraus möchte die Stiftung „im Sinne der Botschaft Anne Franks“ zu einem besseren Verständnis unter den Religionen und zum Frieden unter den Völkern beitragen sowie engere Kontakte zwischen Jugendlichen aus verschiedenen Ländern fördern. Mit der Übergabe an das Jüdische Museum wird der Archivbestand des AFF und der Familie Elias künftig erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch soll die Zusammenarbeit zwischen dem Fritz-Bauer-Institut, dem Pädagogischen Zentrum des Jüdischen Museums und der Begegnungsstätte Anne Frank künftig intensiviert werden. So erfüllt sich auch auf diese Weise, was Anne Frank am 5. April 1944 notierte: „…ich will nicht umsonst gelebt haben(…) Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“

Barbara Goldberg


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