„Bis alles ausgeladen ist, die Schirme stehen, Waage und Kasse laufen, die Tüten hängen und Obst und Gemüse schön präsentiert sind, das dauert“, erklärt Thomas Wolff. „Drei Stunden und 1000 Handgriffe – mindestens.“ Vor 30 Jahren, am 26. Mai 1988, um 5 Uhr morgens fanden sich an der Bockenheimer Warte Geflügelzüchter, Bauern und Metzger, Obst- und Gemüsehändler ein und bauten zum ersten Mal insgesamt 30 Stände zum Bockenheimer Wochenmarkt auf. Der Markt war nicht der erste unter den Frankfurter Wochenmärkten und doch etwas Besonderes: Als erster hatte er einen Stand mit Bio-Gemüse – den von Thomas Wolff.
Seitdem sind seine Bio-Möhren, -Kartoffeln, -Salate, -Erdbeeren und einiges mehr jeden Donnerstag auf dem Bockenheimer Wochenmarkt zu finden. Und wie beim ersten Mal sind es immer noch 30 Marktbeschicker, die von 8 bis 18 Uhr Eier, Brot, Honig, Geflügel, Fleischwaren, Obst und Gemüse feilbieten. Neun sind von den Betrieben der ersten Stunde noch dabei. Neben dem Stand von Thomas Wolff auch der von Familie Schott, die Backwaren aus selbstangebautem Bio-Getreide anbieten. „Die Gisela ist damals einfach mit ihrem Bus gekommen. Die war gar nicht angemeldet, durfte dann aber bleiben“, erinnert sich Wolff. „Heute macht ihr Sohn den Stand.“
Vom Erzeuger direkt auf den Markt
Wolff und Schott gehörten damals zu den wenigen auf dem Markt, die selbst erzeugte Produkte verkauften. Auch das gab es bei den bestehenden Wochenmärkten in Höchst, Bornheim und Sachsenhausen nicht.
Am Morgen des ersten Markttages in Bockenheim hatte Wolff „ein kribbeliges Gefühl“. Würde der neue Markt gut laufen? Würde Bio-Gemüse gut ankommen? Auch das Angebot an seinem Stand war begrenzt. Zusammen mit einem Kollegen der Bioland-Gärtnerei im Bad Nauheimer Ortsteil Steinfurth packte er die dort angebauten Radieschen, Kohlrabi, Salate, Bund-Zwiebeln, Kräuter, Erdbeeren und Lageräpfel auf den Tisch. Die konventionellen Händler drumherum hatten dagegen ein komplettes Obst- und Gemüsesortiment. „Die haben uns belächelt. Nicht nur wegen des begrenzten Sortiments. Wir hatten selbst gebastelte Bioland-Schilder, rot eingefärbte Jute-Decken um unsere Verkaufstische drapiert und keine Hochglanzpräsentation.“
Überraschende Frische
Aber bereits an diesem ersten Markttag hatten die zwei am Bio-Stand alle Hände voll zu tun und nicht mal Zeit für eine Pause. Sie haben die Kunden probieren lassen und die zeigten sich von der Frische und vom vollen Geschmack überrascht. Am Ende war fast alles komplett ausverkauft. „Das hat richtig Spaß gemacht, ein gutes Gefühl“, erinnert sich Wolff. Er wusste: „Jou, die Entscheidung war die richtige. Die Leute sind von uns begeistert. Das Bio-Angebot kommt an.“
Bald kamen Kunden aus anderen Stadtteilen, um beim Bio-Obst- und Gemüse-Stand einzukaufen. Für Wolff, den späteren Gründer der Bio Frischvermarktung GmbH und des Bio Lieferservice Querbeet, nicht nur das Zeichen, dass die Nachfrage da war, sondern dass Frankfurt sogar ein Riesenpotential hatte. „Wir haben offene Türen eingerannt. 1986 war Tschernobyl. Die Leute waren sensibilisiert, haben sich gefragt, was kann man überhaupt noch essen? Das war die Aufbruch-Zeit für Bio-Gemüse.“
Begeistert waren die Kunden auch von den Erzeuger-Ständen. Ihr positives Feedback war die Initialzündung für den Wochenmarkt an der Konstabler Wache, der von Mitinitiator Wolff 1989 ausschließlich als Erzeugermarkt installiert wurde.
Markt ist Leben
Der Querbeet-Gründer, der mittlerweile zusammen mit Frank Deltau – ein Unternehmen mit fast 70 Mitarbeitern führt, steht nach wie vor zweimal in der Woche um 3 Uhr auf und baut in Bockenheim oder an der Konstabler Wache den Bio-Gemüsestand auf. „Markt ist eine der Tätigkeiten, die mir nach wie vor am meisten Spaß macht. Markt ist Leben, da ist man direkt am Kunden dran. Es ist wichtig, zu wissen, was die Kunden haben wollen, was ihnen fehlt, was sie gut finden und was nicht.“
Viele sind Stammkunden. Manche kommen wie er seit 30 Jahren auf den Bockenheimer Markt. Eine Geschäftsfrau zum Beispiel, die früher in der Leipziger Straße ein Uhrenfachgeschäft besaß. Das Geschäft gibt es nicht mehr, die mittlerweile betagte Dame kommt nach wie vor zum Markt. „Eine Kundin kenne ich seit sie ein kleines Mädchen war. Sie war immer mit ihrer Mutter da. Jetzt kommt sie mir ihren eigenen beiden Kindern her.“
Einkauf als Erlebnis
Der Bockenheimer Wochenmarkt und seine Kunden sind dem Vollblut-Marktmenschen Wolff ans Herz gewachsen: „Die Bockenheimer sind geerdet, gehen auch mal beim Remmel am Stand nebenan Hühnersuppe essen oder holen sich eins weiter eine Waffel. Ihren Einkauf nehmen sie als Erlebnis. Und sie mögen wie ich das regionale Gemüse: Kartoffeln, Möhren, Kohlrabi, das Saisongemüse und die schönen, großen Radieschen.“
Text: Memo Public Relations
Foto: WikiCommons
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